Alle nur kriminell?

Gepostet von am 21. September 2012

Alle nur kriminell?

Vetternwirtschaft, Organisierte Kriminalität und Korruption. Das sind die negativen Stereotype, die in deutschen Medien häufig mit Bulgarien verbunden werden. Die Berichte von Transparency International und der EU-Kommission verstärken die Vermutung, dass in Bulgarien nicht alles nach Recht und Ordnung läuft. Wir haben versucht, zu einer eigenen Einschätzung zu kommen.

Richter Georgi Ushev

Der heilige Georg, der Drachentöter, der in der christlichen Mythologie gegen das Böse siegte, hängt über dem großen neuen Schreibtisch von Georgi Ushev, dem obersten Richter des neu geschaffenen Spezialstrafgerichts Bulgariens. Seit April werden an dem Gericht, das sich nur mit Organisierter Kriminalität wie Drogenhandel, Menschenschmuggel und Erpressung beschäftigt, Urteile gefällt. Zehn Richter hat der Oberste Justizrat dafür auserwählt. Das wichtigste Einstellungskriterium: Sie sollten unbelastet sein. Die Richter werden den einzelnen Verfahren nach dem Zufallsprinzip zugeteilt, um mögliche Absprachen mit Beschuldigten schwieriger zu machen. Das Spezialstrafgericht ist Teil der Regierungsstrategie, um Korruption in der Justiz einzuschränken. Viele der Richter sind recht jung. Ushev selbst ist erst 38 Jahre alt. Ein Patentrezept, Korruption auch in Zukunft an seinem Gericht auszuschließen, hat er aber nicht:

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Müde lächelt er, er arbeite oft mehr als 14 Stunden am Tag, Verhandlungen würden nicht selten bis ein oder zwei Uhr nachts andauern. Ziel des Gerichtes sei es auch, schnellstmöglich Urteile zu fällen. Seit April wurden 1300 Verfahren abgeschlossen.

Vorwurf Verschleppung

Bulgarien wird seit Jahren seitens der EU dafür kritisiert, teilweise Gerichtsverfahren so lange verschleppen zu lassen, bis die Anklagevorwürfe verjährt seien. Auch sein Gericht wurde im aktuellen Bericht der EU-Kommission gerügt, nur über „kleine Fische“ zu urteilen. Ushev meint, die Kommission hätte zu früh über das neue Gericht geurteilt:

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Transparency International bescheinigte Bulgarien 2011 in der EU bei der wahrgenommenen Korruption den schlechtesten Platz (Platz 86, Deutschland liegt auf Platz 10).

Hier könnt ihr einzelne Stimmen aus dem Herzen Sofias bei den Prinzessinnenquellen dazu hören:

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Innenminister Zwetan Zwetanow

Demgegenüber stehen diverse Reformbemühungen der Regierung, die zum Teil fruchten. So wurden nach einer Überprüfung von Zollbeamten am Grenzpunkt zur Türkei Kapitaan Andreewo 80 Zöllner unter anderem wegen Korruptionsverdachts entlassen. Der politische Wille sei da, meint Innenminister Zwetan Zwetanow. Er zählt einige Beispiele auf, bei denen seine bürgerliche Regierung demonstriert habe, hart durchzugreifen.

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Dennoch bleibt ein anderes Gefühl bei den Bürgern. Laut Eurobarometer vom Mai 2012 denken zwei Drittel der Bulgaren, dass sich die Verbreitung von Korruption nicht verändert hat.

Weniger Polemik!

Der unabhängige Politikwissenschaftler Thihomir Bezlow vom Institut für Demokratieforschung in Sofia meint, der Begriff der Korruption würde schnell als Synonym für Armut genutzt. Korruption gedeihe vor allem dort, wo die Menschen wenig Geld haben.

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Er erklärt die hohen Angaben bei der Korruptionswahrnehmung aber auch durch einen bulgarischen Pessimismus und die teilweise tendenziösen Fragen innerhalb der Eurobarometer-Fragen. Natürlich gebe es das Problem der Korruption und der Organisierten Kriminalität, aber die Diskussion sei zu aufgeblasen.

Korruption ist eines der sensibelsten Themen in Bulgarien. Viele, mit denen wir gesprochen haben, bedrückt es, wenn ihr Land immer auf dieses Thema reduziert wird. Sicher ist, dass dagegen gearbeitet wird, etwa durch das Spezialstrafgericht in Sofia. Sicher ist aber auch, dass diese Bemühungen bei den Bürgern noch nicht sehr deutlich wahrgenommen werden.

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