Zurück in die Heimat

Gepostet von am 12. September 2012

Zurück in die Heimat

Ein gängiges Klischee lautet: Die rumänische Jugend wandert ins europäische Ausland ab, weil dort die Chancen und Löhne besser sind. Tatsächlich kommen aber auch viele junge Rumänen zurück in ihre Heimat, um dort etwas zu verändern. Mit Know-how aus dem Ausland, sozialer Verantwortung und vielen guten Ideen.

Kunst im Schichtbetrieb – Der Visionär

Mihai Suta

Mihai Suta ist 28, hat seine schulterlangen Haare zum Zopf gebunden und sitzt entspannt in einem Café am Fluss. Drei Jahre hat er als Unternehmensberater im Ausland gearbeitet, jetzt ist er zurück in seiner Heimat Rumänien und lebt in Timisoara, im Westen Rumäniens. In seinem kleinen WG-Zimmer hängen Bilder von jungen rumänischen Künstlern wie in einer Miniatur-Galerie. Als Kunstliebhaber will er jetzt ein Social Business starten: „Ich will denjenigen Kunst nahe bringen, die sonst keine Chance haben, sie zu erleben: einfachen Leuten, die oft in Schichten arbeiten und in kein Museum gehen“. Cafeterien und Mensen von Unternehmen will er in temporäre Galerien umwandeln, wo noch unbekannte Künstler ihre Werke ausstellen. Eine Online-Plattform soll die jeweilige Ausstellung begleiten und den Künstlern die Möglichkeit bieten, ihre Werke auch zu verkaufen.

„Jeder hat etwas davon“, erklärt Mihai. „Die Firmen können sich kostenlos mit Kunst schmücken, unterstützen die lokale Kunstszene und tun etwas für ihre corporate social responsibility. Die Künstler bekommen kostenlose Ausstellungsfläche und finden online Käufer für ihre Bilder, ohne Abgaben an eine Galerie zu zahlen.“ Besonders wichtig sind ihm die Arbeiter: „Kunst hat die Möglichkeit, die Mentalität von Menschen zu ändern. Ihr Arbeitsalltag soll durch die Ausstellung bunter werden“.

#FA91A2

#FA91A2 heißt das Projekt, es ist der Code für einen bestimmten Farbton: eine Mischung aus Orange, das für Kreativität steht, und Lila, das die Gemeinschaft symbolisiert. Der Codename soll in jeder Sprache funktionieren, um die Idee im besten Fall auch auf andere Länder zu übertragen. Das Handy von Mihai klingelt im Minutentakt: In zwei Wochen startet die erste Ausstellung in den Räumen einer Bank, bis dahin muss er noch viel koordinieren. Neun Künstler werden gut 35 Werke ausstellen. „Noch ist der Kunstmarkt sehr klein hier“, sagt Mihai „aber das wird sich jetzt hoffentlich ändern.“

Tausch statt Besitz – Die Entwickler

Das Team von UseTogether

300km weiter östlich, in der Studentenstadt Cluj-Napoc, sitzen fünf junge Erwachsene in einem schlichten Büro. Jeder vor einem PC, die Augen gebannt auf den Bildschirm. Es ist der letzte Tag für die Bewerbung für das Pioneers Festival, eine StartUp-Messe in Wien. Dort wollen sie mit ihrem frisch gegründeten Unternehmen UseTogether teilnehmen. UseTogether ist ein Online-Club, in der Mitglieder Besitztümer zum Tausch oder Verleih anbieten. „Wir haben gemerkt, dass wir alle unglaublich viele Sachen besitzen, die nur Staub ansetzen“, sagt der 27-jährige Victor Miron, einer der Gründer. „Daher kam die Idee des gemeinschaftlichen Konsums“.

Hoch hinaus

150 Mitglieder sind angemeldet, gut 200 Objekte stehen bereit: vom Fernglas bis zum Taschenrechner, von Buch bis zum Laptop. 12 Leute sind im Team von UseTogether, die ihr Geld als Programmierer, Manager oder Verkäufer verdienen und alle nebenbei viel Zeit in die Plattform stecken. Alina Borbaly hat zuvor in England und Deutschland gearbeitet, wollte aber zurück in die Heimat: „Ich will etwas in meiner Region verändern“, sagt sie. So geht es vielen jungen Leuten derzeit, sagt Gabi Nagy:

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“Circle of Trust”, so nennen Victor und seine Freunde das Grundprinzip von UseTogether. Nur auf Einladung können Neulinge Teil des Tauschnetzwerks werden. Verstößt jemand gegen die Regeln, fällt es auf den zurück, der ihn in die Gemeinschaft gebracht hat. Eine Art der sozialen Kontrolle. „Wir wollen zeigen, dass es sich lohnt, anderen Leuten zu vertrauen, statt Besitz anzuhäufen“, sagt Victor. Deshalb auch der Slogan: „It’s not about owning things, it’s about access to things“.

Honig als Marke – Die Macher

Laura Chirila

Im Nordwesten Rumäniens, in der ländlichen Region Salaj, arbeitet Laura Chirila. Sie ist ein echter Profi, in perfektem Englisch präsentiert sie stolz die Produkte ihres Unternehmens: „The wonder that we call honey“. Das Unternehmen Valea Barcaului ist ebenfalls ein Social Business, das von einer NGO gegründet wurde. Laura und ihre vier Kollegen wollen die lokalen Bienenzüchter unterstützen, zahlen ihnen mehr als den marktüblichen Preis und veredeln schließlich den Honig: Mit Walnüssen gefüllte Pflaumen, die in Honig eingelegt sind, ist nur ein Beispiel der Produktpalette. 50% des Ertrags fließen in soziale Projekte wie die Bildung von Kindern und Jugendlichen aus der ländlichen Region. Die andere Hälfte fließt zurück ins Unternehmen, um weiter wachsen zu können.

Laura hat in den USA und in Griechenland gearbeitet, hat dann aber gespürt, dass es Zeit war, zurückzukehren:

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Made in Romania

Sie will ein Bewusstsein für die Qualität regionaler Produkte schaffen. „In anderen europäischen Ländern gibt es diesen Trend schon. Leider sind wir noch in einer Phase, in der viele Rumänien denken, Produkte aus dem Ausland sind besser.“ Deswegen investiert das Unternehmen unter anderem in Informationskampagnen an Schulen: „Omas Gemüse ist viel gesünder als das aus dem Supermarkt. Das wollen wir den Kindern klarmachen.“

Knapp ein Jahr ist das Unternehmen alt. Jetzt geht es daran, sich die Markenrechte zu sichern. „500€ kostet das, für eine kleine Firma wie uns ist das eine Menge Geld! Und dazu kommt noch jede Menge Bürokratie.“ Manchmal fragt sich Laura, warum sie die ganze Mühe auf sich nimmt. Rückenwind kommt von anderen europäischen Initiativen, die ähnliche Ziele verfolgen: Laura und ihre Kollegen waren schon bei der Grünen Woche in Berlin und fahren im Oktober zum Internationalen Food Festival nach Frankreich. „Es ist unglaublich motivierend zu sehen, dass regionaler Konsum in anderen Ländern schon funktioniert. Das macht Mut, dass die Idee auch hier in Rumänien funktionieren kann.“

Social Business made in Romania

Mihai, Laura und das Team von UseTogether – sie alle sind extrem gut vernetzt, motiviert und engagiert. Sie verstehen sich als soziale Unternehmer, die nicht nach Gewinnmaximierung streben, sondern das Gemeinwohl stärken wollen. So gut ihre Ideen auch sind, sie alle haben zu kämpfen: mit Bürokratie, mit halben Versprechungen und finanziellen Hürden. Manchmal haben sie ihre Zweifel, ob die Mehrheit der Rumänen schon bereit ist für ihre Ideen. „Wenn du hier eine Idee umsetzten willst, musst du dich noch viel mehr reinhängen als im Ausland, um alte Denkmuster aufzubrechen. Manchmal fühlt man sich, als rennt man gegen eine Wand!“ Aber die jungen Unternehmer sind überzeugt, dass die Mauern fallen werden.

Mehr zum wirtschaftlichen Konzept des Social Business gibt es hier und auf der Seite des Nobelpreisträgers Muhammed Yanus.

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