Von oben sieht das rumänische Bergdorf Rosia Montana friedlich aus: Ein Kirchturm glänzt in der Sonne, Kuhglocken läuten in der Ferne. Doch die Idylle trügt: Unten im Dorf tobt ein Nervenkrieg. Schuld ist das größte Goldvorkommen Europas.
Eine eindeutige Botschaft
„Wir sind hier“, steht auf dem Plakat, das die Fassade eines Hauses verdeckt. Das Haus ist das Informationszentrum der Rosia Montana Gold Corporation, kurz RMGC. Sie gehört zu einer kanadischen Firma, die in der Region den größten Goldtagebau Europas errichten will. Denn unter dem Bergdorf liegen 300 Tonnen Gold und 1500 Tonnen Silber – im Gesamtwert von 14 Milliarden Euro. Die Botschaft ist eindeutig: Die Firma ist hier, mitten im Dorf und geht so schnell nicht mehr weg.
Der Kern des Widerstands
Auch Eugen David will sich keinen Zentimeter wegbewegen. Er ist Bauer und der Kopf der Bürgerinitiative „Alburnus Major“, die der Gold Corporation den Kampf angesagt hat. Am Rande des Bergdorfs bewirtschaftet er einen kleinen Hof: Sieben Kühe, ein Pferd, Hühner, einen Gemüsegarten und Obstbäume, mehr braucht er nicht zum Überleben. Es gibt zwei einfache Gründe, warum er von seinem Hof nicht weg will:
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Eugen David steht am Rande seines Grundstücks, blickt auf die Berge um sich herum und schüttelt den Kopf: „Alles, alles wollen sie hier zerstören!“ Alles: Das ist die Natur und das historische Erbe der Region. Unter den Bergen gibt es jahrhundertealte Stollen, denn schon die Römer haben hier vor 2000 Jahren Gold geschürft, Gold für den Aufbau des Römischen Reiches. Alles, das ist aber auch: die Dorfgemeinschaft und das Vertrauen untereinander.
Nervenkrieg seit 15 Jahren
Am eigenen Leib hat das der Dorfbewohner Sorin Jurca erfahren. Vor 15 Jahren kam die Firma zum ersten Mal für Bodenuntersuchung ins Dorf – und damit fingen die Probleme in Rosia Montana an. Die 2000 Personen sollen umgesiedelt werden, bis auf den denkmalgeschützten historischen Stadtkern werden ihre Grundstücke unter anderem für den Bau von Infrastruktur benötigt. Schnell stellte sich die Frage: wer verkauft, wer nicht? „Rund 80% der Grundstücke im Dorf sind mittlerweise verkauft, aber 140 Häuser fehlen noch, und drei davon gehören mir“, sagt Jurca. Andere Personen aus seiner Familie arbeiten mittlerweile für die Gold Corporation oder sind in die Wohnsiedlung gezogen, die RMGC in der Kreishauptstadt Alba Iulia gebaut hat. „Wir reden nicht mehr miteinander“, sagt Jurca.
Bergbautradition und Arbeitsplätze
Aber nicht alle denken wie Sorin Jurca und Eugen David. RMGC hat mehr als 3.000 Jobs versprochen und nach eigener Aussage schon gut 500 Bewohner eingestellt. Die Aussicht auf einen festen Job ist ein schlagendes Argument in der Region. Denn ein Großteil der Bewohner wurde arbeitslos, als die frühere staatliche Mine 2006 im Rahmen der EU-Beitrittsvorbereitungen schließen musste. Die RMGC will die zwei alten Tagebaue wieder in Betrieb nehmen und zwei weitere öffnen. Eine alte Frau auf dem Marktplatz sagt: „Hier kannst du ohne Bergbau nicht leben, ohne irgendein Bergbauprojekt. Unsere Männer, Väter, Vorfahren haben alle vom Bergbau gelebt.“ Auch sie glaubt an die versprochenen Arbeitsplätze, nur fragt sie sich, warum es erst eine ausländische Firma dazu brauchte:
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Risiko Zyanid
Auf ganz Rumänien hat sich mittlerweile der Streit um Rosia Montana ausgeweitet. Umweltorganisationen wie Greenpeace verurteilen vor allem das chemische Verfahren, mit dem das Gold aus dem Gestein gewaschen wird. 10.000 Tonnen Zyanid sollen dafür verwendet werden. Die Abfallprodukte sollen in einem 300 Hektar großen Staubecken gelagert werden. Vor 12 Jahren brach der Damm von solch einem Staubecken in der Industriestadt Baia Mare. Ein Unfall, der in Europa als die schlimmste ökologische Katastrophe seit Tschernobyl gilt. Der Giftschlamm verursachte ein massives Fischsterben und verseuchte das Trinkwasser von rund 2.5 Millionen Menschen. Schon 2010 sprach sich die EU-Kommission mit 80 Prozent für ein generelles Verbot von Zyanid im Goldabbau aus, allerdings setzte die Kommission dies nicht in eine verbindliche Richtlinie um. Das macht Ramona Duminicioiu wütend, die sich seit 10 Jahren in der Kampagne „Rettet Rosia Montana“ engagiert:
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Investition in die Region
Catalin Hosu, Unternehmenssprecher der RMGC, will von der „Gefahr Zyanid“ nichts wissen. „In einem Staubecken ist die Zyanid-Konzentration geringer als in einer Kaffeetasse“, argumentiert er. Er hat Risikomanagement studiert und weiß: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Aber der geplante Bau entspräche den internationalen Standards, der Damm würde einem Erdbeben der Stärke acht standhalten. Außerdem würde die Firma während und nach den 15 Jahren, die sie für den Abbau plant, die Region ordnungsgemäß renaturieren, dafür stünden 135 Millionen Euro bereit. Er findet es absurd, Landwirtschaft wie Eugen David zu betreiben, wenn unter den Kartoffeln Gold liegt. „Die Region und ganz Rumänien werden enorm von dem Projekt profitieren.“ 4,8 Milliarden Euro würden direkt und indirekt in die rumänische Wirtschaft fließen. Außerdem versichert Hosu, dass die Firma bei einem Unfall für die Schäden geradestehen würde:
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Frust über den Staat
Hosu ist frustriert, dass der rumänische Staat die Entscheidung so lange hinauszögert. Erst wenn das Umweltministerium seine Zustimmung gibt, kann das Projekt starten. Und das wird noch mindestens bis nach den Wahlen im November dauern. Auch Eugen David verdreht nur die Augen, wenn es um die Regierung geht. Schon seit Mai 2012 liegt ein Antrag, die Region Rosia Montana ins UNESCO-Weltkulturerbe aufzunehmen, beim Kultusministerium, wurde aber bisher wegen personeller Wechsel nicht ordnungsgemäß weitergeleitet. Sollte er erfolgreich sein, könnte der Kampf ums Gold für immer gestoppt werden.
Links:
Rosia Montana Gold Corporation
Bürgerinitiative Alburnus Major
Erklärung des EU-Parlaments zu Zyanid
Artikel in der ADZ zum Personalabbau bei RMGC