Einige kennen Ionescu, wenige Brâncusi, kaum jemand Ghenie. In Deutschland wissen wir über die rumänische Kultur nicht allzu viel. Vielleicht bald noch weniger, denn das rumänische Kulturinstitut (ICR) befindet sich mitten in einer Neuausrichtung. Mit ungewisser Zukunft für die moderne Kulturlandschaft.
Bogdan Girbovan hatte große Pläne: Im Oktober wollte der junge Fotograf seine Ausstellung in Venedig eröffnen, eine Gegenüberstellung von Portraits von Geistlichen und Polizisten. Mit seinem Konzept überzeugte er die Jury des vom ICR ausgeschriebenen Wettbewerbs. Sie sagte ihm für Ausstellung und Katalog 14.000 Euro zu. Mitten in der Vorbereitung kam dann die Nachricht: Das Budget des ICR wird um ein Drittel gekürzt, Bogdans Gelder werden eingefroren, die Ausstellung auf Eis gelegt. Für Bogdan ein regelrechter Schlag ins Gesicht:
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Neue Struktur per Eilverordnung
Der Grund für Bogdans Frustration liegt in der Umstrukturierung des rumänischen Kulturinstituts. Statt wie bisher dem Präsidenten Basescu, ist es jetzt dem Parlament unterstellt. Das hatte Ministerpräsident Victor Ponta im Juni per Eilverordnung durchgesetzt. Zur Begründung hieß es, das Institut solle eine demokratischere Struktur bekommen. Der Kulturminister Puiu Hasotti bekräftigte, dass die Umstrukturierung keine Auswirkung auf die Aktivitäten des Instituts habe. Das Gegenteil glauben viele Kulturschaffende: Sie sehen die Unabhängigkeit des Institutes in Gefahr und befürchten seine Politisierung.
„Never change a running system“
Einer von ihnen ist Dan Perjovschi. Der vollbärtige Mann sitzt in Bukarest im Atelier 35 vor seinem Kaffee. Perjovschi ist einer der gefragtesten Künstler Rumäniens – und er ist wütend. „Warum sollten plötzlich Leute, die keine Ahnung von Kultur haben, über ein Kulturinstitut bestimmen?“ Für ihn gibt es keine Notwendigkeit, das Institut umzukrempeln. Es sei eine der wenigen staatlichen Einrichtungen gewesen, die wirklich gut funktioniert hat:
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Anerkennung in Gefahr
Unter der bisherigen Führung brachte es das ICR zu internationaler Anerkennung. Zur Leitung gehörte auch Vizepräsidentin Tania Radu. Sie trat zusammen mit dem ICR-Präsidenten Roman Patapievici zurück. Denn mit dem Eilverfahren änderte die Regierung auch das Programm des ICR: Im Vordergrund steht nicht mehr, die rumänische Kultur im Ausland zu fördern, sondern die im Ausland lebenden Rumänen mit Kultur zu versorgen. Tania Radu ist mehr als enttäuscht, sie hat das Gefühl, dass knapp acht Jahre Arbeit in zwei Monaten zerstört wurden:
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Der neue Vizepräsident Vladimir Simon jedoch betont: “Wir werden versuchen, alle geplanten Programme und Projekte fortzusetzen, so weit es die finanziellen Mittel erlauben. Wir werden versuchen, die Präsenz und Konsistenz der rumänischen Kulturförderung durch das ICR zu steigern.”
Historische Momente
Allerdings heißt es in der Programmatik des neuen Präsidenten Andrei Marga unter anderem: „Das ICR muss in erster Linie auf die Kulturschaffenden setzen, die schon historische Momente geschaffen haben. (…) Ein Wechsel der Ausrichtung zugunsten der großen Werke ist unausweichlich, wenn wir die Anerkennung der Kultur unseres Landes sichern wollen.“ Perjovschi kann über solche Sätze nur den Kopf schütteln:
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Folgen für junge Künstler
Mehr Mainstream und weniger Platz für Experimente, das befürchten die Kritiker. Perjovschi boykottiert ab jetzt das ICR, er hat zwei Ausstellungen abgesagt. Seiner Meinung nach wird die Umstrukturierung aber vor allem die jungen Künstler hart treffen, wenn ihre provokanten Ideen nicht zur neuen Ausrichtung passen. Außerdem seien sie mehr als er auf die finanzielle Förderung durch das ICR angewiesen:
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Auch Bogdan macht sich Sorgen, wie er künftig ohne Förderung vom ICR im Ausland ausstellen soll, viele andere Anlaufstellen gibt es in Rumänien nicht. Er will aber das neue ICR nicht boykottieren, sondern sein Projekt auf jeden Fall durchziehen. Noch will er nicht zu viel über die Zukunft spekulieren, aber unruhig machen ihn die Entwicklungen schon:
Links
Webseite des Rumänischen Kulturinstituts ICR
Interview mit der Leiterin des Berliner ICR bei DRadio
Bericht zum Rücktritt der ICR-Leitung bei derstandard.at
Arbeiten von Bogdan Girbovan
(Headerbild: Dan Perjovschi “We are all in this together”)