Die Rumänen haben ihr Vertrauen in die Politik lange verloren. Trotzdem hissen die Piraten jetzt ihre Flagge und sagen den alten Eliten den Kampf an. Bis sie ihren Anker im Parlament versenken können, ist es aber noch ein langer Weg.
Zigarre und Siegelring: Der Gründer der rumänischen Piratenpartei sieht nicht aus wie ein Internet-Nerd. Eher, als könnte er locker die Hauptrolle im „Paten“ übernehmen. Claudiu Marginean ist 55 und ehemaliger Clubbesitzer in Cluj-Napoc, einer Studentenstadt in Siebenbürgen. Als die Polizei seinen Club dichtmachte, weil er Musik spielte, ohne Gebühren zu bezahlen, wurde er Pirat.
„Zustände wie in Kasachstan“
Eine Partei zu gründen, ist in Rumänien allerdings nicht gerade einfach. 25.000 Mitglieder sind laut Wahlgesetz nötig, um als Partei anerkannt zu werden. Will die Partei bei Wahlen antreten, müssen für jeden Kandidaten fünf Mindestlöhne hinterlegt werden. Der Mindestlohn liegt bei knapp 160€, wenn sie Kandidaten in allen Wahlkreisen aufstellen, fallen rund 350.000€ an. „Das sind Zustände wie in Kasachstan“, schimpft Marginean. In Deutschland können schon gut 400 Mitglieder reichen, um als Partei anerkannt zu werden.
Die Politikwissenschaftlerin Anneli Ute Gabanyi hält die Hürde der Mitgliederanzahl für sinnvoll. So könnten Splitterparteien verhindert werden, die sich durch Bestechung leicht von großen Parteien beeinflussen lassen könnten. Marginean dagegen hält die Liste mit 25.000 Mitgliedern für eine Farce: Andere Parteien hätten mit den Kundendaten von Supermärkten die nötige Datenbank erzeugt und die Unterschriften gefälscht, sagt er. Solche Methoden kämen für die Piraten nicht in Frage, „wir wollen eine ehrliche Partei sein“.
Weniger als die Hälfte ist online
Die „Digital Natives“ will Marginean erreichen. Allerdings sind nur knapp 40 Prozent der Bevölkerung online. „Wir es in Rumänien mit einer sehr alten Bevölkerung zu tun. Das schränkt den Kreis der potenziellen Mitglieder und Wähler massiv ein“. 10.000 Anhänger fehlen noch bis zu den Parlamentswahlen im November, bei denen Marginean mit den Piraten antreten will. Für große Werbekampagnen hat die Partei allerdings kein Budget, sie setzt allein auf die Verbreitung übers Internet, um junge Leute und Erstwähler anzusprechen. Ihnen müsse die Partei mit besonderen Methoden Lust auf politische Partizipation machen.
Die Jugend kapern
„Die Jugend hat keine Lust auf langweiligen Wahlkampf!“, sagt Marginean. Deshalb entwickelt die Partei zum Beispiel gerade eine Art Computerspiel, durch das sich Nutzer spielerisch mit Korruption auseinandersetzen können. Das Internet ist für ihn nicht Mittelpunkt des Parteiprogramms, sondern Mittel zum Zweck: „Wir wollen nicht nur über ACTA und die Freiheit des Internets reden, sondern natürlich auch die Politik verändern.“
Piratenblut in der Familie
Auch Margineans Tochter Claudia engagiert sich für die Piraten. Sie ist 20 Jahre alt, studiert in London Modemanagement und war in Brüssel dabei, als die Internationale Piratenpartei gegründet wurde. „Unsere Generation kann sich nicht mehr vorstellen, ohne Computer und Internet zu leben. Bei den Piraten zu sein, heißt, auf die Probleme zu reagieren, die durch die neuen Medien entstanden sind.“ Für sie sind die Piraten eine kulturelle und soziale Bewegung, an der sie teilhaben will. „Es ist großartig, dass wir unter den Piraten als ebenbürtig akzeptiert sind, obwohl wir in Rumänien noch nicht offiziell anerkannt sind!“. Unter anderem stehen die rumänischen Piraten mit den deutschen in gutem Kontakt, erst im August hat ein Treffen in Berlin stattgefunden, um sich über die gemeinsamen Ziele auszutauschen. Marginean ist beeindruckt, wie viel Erfolg die deutschen Piraten in so kurzer Zeit hatten, weist aber darauf hin, wie viel leichter die Parteigründung für sie war. „Es gibt einen Witz zwischen den deutschen und den rumänischen Piraten. Wenn sie fragen: Können wir euch nicht irgendwie helfen? Sagen wir: Schickt uns einfach 10.000 Mitglieder!“
Ungewisse Zukunft
Claudiu Marginean ist zuversichtlich, dass die rumänische Piratenpartei die nötigen Mitglieder bis zum November zusammenbekommt. Eine Koalition könnte er sich dann mit der ebenfalls noch jungen grünen Partei vorstellen, da sich die Ziele gut vereinbaren ließen. Viel Optimismus strahlt er aus, als könnte er gleich mit Augenklappe und Säbel das Boot der alten Eliten kapern. Die „Digital Natives“, die wir bisher getroffen haben, waren allerdings alle sehr überrascht, als wir ihnen von den Piraten erzählen: „Wirklich, es gibt hier eine Piratenpartei? Davon hab ich ja noch nie was gehört!“ Ein langer Seeweg liegt noch vor Claudiu und Claudia Marginescu und den rumänischen Piraten.
Hier gibt es das ausführliche Interview mit Claudiu Marginean zum Nachhören:
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(Quelle Headerbild: http://blog.partidulpirat.ro/)