Ivan Patzaichin ist der erfolgreichste Ruderer Rumäniens, bei den Olympischen Spielen 1972 holte er Gold. Seine Heimat ist das Delta, wo er schon als Junge das Rudern lernte. Dort, im größten Naturschutzgebiet Europas, hat er eine neue Art des Öko-Tourismus unter dem Label Rowmania gestartet. Invans Spuren sind überall im Delta – aber ihn zu finden, ist nicht leicht.
Terminfindung auf Rumänisch
Ja, wir wurden vorgewarnt, sogar mehrfach: „Anrufen, immer noch mal anrufen. Verlasst euch bloß nicht auf irgendwelche Termine, die ihr mal ausgemacht habt!“ Daran haben wir uns in den letzten Wochen auch brav gehalten und bis jetzt hat es – mit einigen Ausnahmen – eigentlich ganz gut funktioniert. Mittlerweile wissen wir: „Jaja, gar kein Problem, klappt auf jeden Fall“ heißt nicht mehr als „mal schaun, wird schon irgendwie“. Mit Ivan Patzaichin telefonieren wir zwei Wochen, bevor wir Richtung Delta reisen. Er ist begeistert von unserem Interesse und sagt: „Klar können wir uns treffen und rudern gehen. Sagt einfach Bescheid, wenn ihr kurz vor dem Delta seid.“ Machen wir, beim zweiten Anruf klingt er schon zögerlicher. „Oh, übermorgen. Ja, da werd ich wohl da sein“. Erstes Stirnrunzeln bei uns.
Im Wasserlabyrinth
Von der Hafenstadt Tulcea nehmen wir ein Boot bis nach Crisan, ein Fischerdorf mitten im Delta. Hier hat Ivan im Juli sein Projekt Rowmania gestartet. An den dunkelgrünen Ruderbooten vor der Tür erkennen wir gleich unsere Unterkunft. Nach einer Willkommens-Fischsuppe gehen wir hinters Haus – dort schwimmt Ivans brandneue Kanuverleihhütte auf dem Wasser. Sie ist die Basisstation von seinem Projekt: Von hier aus können sich Touristen Boote mieten und durch die Wasserstraßen rudern, statt in knatternde Motorboote zu steigen. Von Ivan aber fehlt jede Spur und ans Telefon geht er auch nicht. Unser Gastgeber zuckt nur mit den Schultern: „Vor einer Woche war er hier“. Aber wo ist er jetzt? Vielleicht in Mila 23, überlegen wir. Mila 23 ist Ivans Geburtsort und keine Stunde von uns entfernt. Also steigen wir am nächsten Morgen wieder ins Boot und machen uns weiter auf die Suche.
Im Dorf der Lipovener
Mila 23 liegt 23 Kilometer von der Donaumündung ins Schwarze Meer entfernt. Ein malerischer Ort: blau gestrichene Häuser, bunte Gärten, Sandwege. Dort treffen wir Elena Munteanu, die Frau des Bürgermeisters, die Ivan schon lange kennt: „Bei uns kommt er unter, wenn er in der Gegend ist, sein Elternhaus ist ganz verfallen.“ Sie führt uns in ihren Garten, schenkt hausgemachten Wein ein. Wie Ivan gehört Elena zu den Lipovenern, der fünftgrößten Minderheit in Rumänien. Sie werden auch die „Altgläubigen“ oder „Deltarussen“ genannt, denn ursprünglich sind sie russische Christen, die sich im 17. Jahrhundert der Glaubensreform widersetzten und deshalb verfolgt wurden. Zuflucht fanden sie im Wasserlabyrinth des Deltas. Rudern gehört zur Tradition der Lipovener, die Ivan wieder aufleben lassen will. Deshalb setzt er sich auch dafür ein, dass an der Schule in Mila 23 wieder das Bootsbauhandwerk gelehrt wird.
Wie Ivan will auch Elena die Traditionen der Lipovener am Leben halten: Sie leitet ein Gesangsensemble, das traditionelle russische Lieder singt; hat sich dafür eingesetzt, dass russisch wieder in der Schule gelehrt wird, und veranstaltet Kochabende mit uralten Fischrezepten. Der Tourismus wird der Region gut tun, ist sie überzeugt. Solange er gut organisiert ist, bestünde dadurch für die Natur im Delta keine Gefahr:
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Sie begrüßt das Projekt von Ivan – nur wo er steckt, kann auch sie uns nicht sagen. Wir zählen eins und eins zusammen: Olympiasieger im Rudern, Förderer der Ruderkultur, sicher ist er mit dem Kanu irgendwo im Delta unterwegs. Unsere letzte Chance.
Ruder-Manie im Selbstversuch
Uns ist klar: Ein echter Lipovener kennt die Schleichwege im Delta im Schlaf. Wir nicht. Uns ist auch klar: Ivan könnte überall und nirgendwo sein. Aber ein Versuch ist es wert. Zurück in Crisan bitten wir also um ein Ruderboot: Kann ja so schwer nicht sein, damit zu fahren, denken wir. Unsere Gastgeberin schaut uns nur groß an, als wir zu dritt ins Boot steigen wollen: „Naja, wenn ihr kentert, nicht so schlimm, das Wasser ist warm!“ Macht nicht gerade Mut, vor allem wenn Technik mit an Bord ist. Wie wir uns auf unserer Suche nach Ivan auf dem Wasser schlagen, und ob wir ihn tatsächlich finden, hört ihr hier:
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